Namaganda, 17. 11. 2019 (English) Mittlerweile haben wir uns an unsere urige Behausung gewöhnt. Dank Moskitonetz im Rahmen kann die Tür die ganze Zeit offen bleiben, auch tagsüber. Das hilft auf jeden Fall. Kein Gedanke mehr an Flucht ins Hotel in Kamuli. Auch unser Patenkind Habiba taut so langsam auf. Heute bringt sie uns nochmal Mais als kleines Dankeschön für die ganzen Geschenke – was für eine schöne Geste von der Familie.
Da fällt uns ein, dass wir noch ein weiteres Mitbringsel für die Kinder dabei haben. Schnell holt Raphaela eine Dose „Pustefix“-Seifenblasen. Erstaunt und neugierig beobachten sie, wie man damit Seifenblasen erzeugt. Und haben jede Menge Spaß beim Fangen derselben. Noch mehr Spaß macht es ihnen, die Seifenblasen selber zu machen.
Auch heute machen wir einen Ausflug. Im August diesen Jahres hat Eddy einen großen Bus organisiert und ist mit allen Kindern der Schule zum Kagulu Rock gefahren. Eine tolle Sache für die Kinder, von denen viele vorher noch nicht einmal im nur 15 km entfernten Kamuli gewesen sind. Als ich die Bilder von der Tour gesehen habe, dachte ich sofort „da will ich auch hin!"
Solche Felsen oder Felsenberge findet man praktisch überall nördlich von Kamuli, vom Mount Elgon im Osten Ugandas, bis zum Rift Valley im Westen. Der bekannteste ist vielleicht der Soroti Rock im Nordosten, den wir in ein paar Tagen besuchen werden. Unser heutiges Ziel ist einer der größten und höchsten Felsen dieser Art.
Allerdings steckt mir noch die gestrige Krakselei am Nil ein wenig in den Knochen. Aber so schlimm kann der Kagulu Rock nicht sein, im August waren ja auch kleinere Kinder dabei. Und auch heute dürfen ein paar Kinder mitkommen. Habiba und ihre große Schwester Amina sowie die beiden Patenkinder von Ina Florence und Royida.
Nach einem kurzen Zwischenstop in Kamuli, wo noch Wilson zusteigt, der Schulleiter des Visionary Learning Centers, geht es ca. 40 km Richtung Nordnordost. Wir parken im Schatten am Fuße einer langen Treppe, die den Kagulu Rock hinauf führt.
Für Ina und die kleine Habiba ist die Kletterei allerdings nichts. Sie bleiben lieber beim Auto. Royida leistet den beiden Gesellschaft. Wir engagieren noch einen Aufpasser, dann geht es mit einem Guide die Treppen hoch.
Schon bei den ersten Stufen spüre ich meinen Muskelkater. Dazu habe ich noch meinen Rucksack mit Wasserflaschen vollgeladen (was keine schlechte Idee war, wie sich später herausstellt). So habe ich wenigstens eine Ausrede, warum ich so außer Atem bin (an meiner Wampe oder der nicht vorhandenen Kondition kann es ja nicht liegen…).
Die Treppe wird bald richtig steil. Stellenweise deutlich über 100% Steigung. Wir haben das Gefühl, es geht senkrecht den Berg rauf. Manchmal ist die Treppe bzw. der Pfad vor uns von hohem Gras überwuchert. Unsere Füße sind dann oft nicht zu sehen, und wir wissen nicht, wo wir hintreten. Dafür ist die Aussicht schon auf dem ersten Teilstück einfach genial.
Es ist ein schöner Sommertag. Die Sonne scheint fröhlich, es ist sicher über 30 Grad warm im Schatten. Nur, dass es hier so gut wie keinen Schatten gibt. Vermutlich kommen auch nur die blöden Muzungus auf die Idee, an so einem Tag ausgerechnet zur Mittagszeit den Kagulu Rock zu besteigen.
Ich bin froh über jede kleine Verschnaufpause, die nicht von mir initiiert wird. Wir nutzen jedes noch so kleines Fleckchen Schatten zwischen den Felsen zum Ausruhen. Belohnt werden wir mit immer neuen und spannenden Blicken in die afrikanische Landschaft.
Wie war das nochmal mit den Kindern, weswegen ich dachte, der Aufstieg kann gar nicht so lang und schwer sein? Amina und Florence springen wie Bergziegen die Stufen und Felsen mit einer Leichtigkeit hinauf und hinab. Immer wieder warten sie auf die schnaufenden Erwachsenen oder kommen den Weg wieder zurück, wenn sie sich zu weit entfernt haben. Und das alles barfuß auf den heißen Steinen!
Immer höher führt uns der Pfad den Berg hinauf. Oft denke ich, nur noch das Stück bis zum nächsten Absatz, doch danach folgt die nächste steile Passage. Dann führt der Weg auf einmal ein kurzes Stück wieder herunter. Eine gemütliche Grasfläche lädt zum Verweilen ein, doch wir sind erst auf halber Höhe und müssen sofort weiter.
Anschließend gibt es überhaupt keinen Schatten mehr. Nicht die kleinste Felsspalte. Ich konzentriere mich auf jeden Schritt. Einfach einen Fuß nach dem anderen setzen. Ruhig atmen und nicht dran denken, wie weit es noch ist oder wie steil. Die nächste Stufe ist das Ziel – das schaffst du!
Plötzlich ist tatsächlich der Gipfel zu sehen. Und es gibt dort oben einen Schatten spendenden Unterstand, der praktischerweise in jede Himmelsrichtung offen ist, so dass eine erfrischende Brise den Raum durchströmt. Wir pausieren ausgiebig und freuen uns über unsere großen Wasservorräte, die wir mit einer Gruppe Kinder teilen, die hier oben abgestorbenes Holz sammeln.
Der Ausblick hier oben ist klasse. Weit im Westen sieht man gerade noch die Mündung des Viktoria-Nils in den weit verzweigten Kyoga See, der den Kagulu Rock an drei Seiten umgibt. Leider ist es recht dunstig, so dass man den riesigen Victoria See im Süden nur erahnen kann.
Gut, dass wir einen Guide dabei haben, sonst hätten wir den vielleicht schönsten Teil sicher verpasst. Ganz in der Nähe gibt es Höhlen, die uns unser Führer zeigen möchte. Der Weg dorthin führt durch eine Mulde mit mannshohem Gras, in dem wir komplett versinken. Auf der anderen Seite ist es nur ein kurzes Stück die Felsen hinauf, dann stehen wir vor dem Höhleneingang.
Dieser ist Gott sei Dank nicht so eng wie die Höhle am Vortag bei den Nilfällen. Ich kann ohne Probleme hindurch schlüpfen. Im Inneren hat man richtig Platz, und an manchen Stellen scheint die Sonne durch kleine Öffnungen, die auch für eine sehr angenehme Belüftung sorgen.
Vorbei an großen Felsen folgen wir dem verschlungenen Pfad und gelangen schließlich zum südlichen Ausgang der Höhle. Draußen erleben wir wieder einen neuen, beeindruckenden Blick in die Landschaft. Über kuschelige Grasflächen und kleinere Felsen geht es, vorbei an ein paar wilden Ziegen, wieder zurück Richtung der großen Treppe.
Der Abstieg fällt uns deutlich leichter als der Aufstieg. Oder wir sind noch berauscht von dem Erlebten und den tollen Ausblicken mit immer neuen Perspektiven. Bald sehen wir von Weitem sogar schon Ina und die Kinder, die geduldig am Auto warten. Die steilen Passagen sind nicht ganz einfach, doch wir meistern alle Herausforderungen. Nur Wilson hat die selben Schwierigkeit wie schon im August…
Zurück am Fuß der Treppe werden wir freudig begrüßt. Wir genießen den angenehmen Schatten der Bäume und ruhen uns eine Weile von den aufregenden Strapazen aus. Raphaela trägt uns noch in das offizielle Besucherbuch des Kagulu Rocks ein (das übrigens genauso aussieht wie das Exemplar des Visionary Learning Centre aussieht, in dem wir uns am ersten Tag verewigt hatten).
Auf der Rückfahrt konnten wir wieder etwas lernen über das afrikanische Lebensgefühl und wie man auch mit Situationen umgehen kann. Plötzlich ist der Weg versperrt. Ein großer Bagger ist dabei, die durch regenzeitliche Überschwemmungen ramponierte Straße wieder passierbar zu machen. Für Autos und LKW gibt es kein Durchkommen.
Obwohl die Reparatur zwei Stunden dauern soll, regt sich hier niemand auf. Mit stoischer Gelassenheit wird abgewartet. Die Baustelle ist eine kleine Attraktion und wird neugierig bestaunt. Ebenso kurze Zeit später die drei Muzungus, die sich in diese abgelegene Gegend verirrt haben.
Nach nur einer halben Stunde gibt der Bagger den provisorisch ausgebesserten Weg wieder frei. Die LKW vor uns haben zwar mit der Durchfahrt zu kämpfen, aber schließlich sind wir viel schneller am Hindernis vorbei, als ursprünglich gedacht.
In Kamuli kaufen wir noch Lebensmittel für die Schule auf dem Markt ein. Der Markt ist ein quirliges Erlebnis für sich. Dicht gedrängte Stände und Besucher zwischen den unterschiedlichsten Waren. Wir sind froh, Eddy dabei zu haben, der sich um die Geschäfte kümmert.
Auf dem letzten Stück des Heimwegs kommen wir noch an einer wirklich mobilen Disco vorbei. Eine tolle Konstruktion, die hätte ich in Deutschland auch gern:
Habiba bringen wir direkt nach Hause zu ihrer Mutter. In der Schule werden wir wieder herzlich erwartet. Wir werden noch lange an diesen Tag zurück denken.