Entebbe, 14. 11. 2019 (English) Da sitzen wir nun. Drei frische Muzungus (Menschen europäischer Abstammung, wörtlich übersetzt bedeutet es „jemand der ziellos herum wandert“, Das Wort Muzungu kann in liebevoller oder beleidigender Weise gemeint sein) mit prallen Brustbeuteln – gerade hatten wir eine Million Uganda-Schillinge aus dem Automaten gezogen – und unser Gepäckberg ist auch ganz ordentlich. Die Menschen um uns herum verdienen vielleicht ein, zwei Euro am Tag. Richtig wohl fühlen wir uns nicht ...
Wenigstens sind nicht so viele Mücken aktiv. Es ist ja noch mitten in der Nacht und dunkel. Der Insektenschutz ist tief in unseren Koffern vergraben. Die möchten wir hier lieber nicht großflächig ausbreiten. Aber bald kommt die Dämmerung, die Zeit der größten Moskito-Aktivität. Entebbe liegt auf einer Landzunge mitten im Viktoriasee. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon Schwärme von Mücken, die uns gleich bis auf die Knochen abnagen werden. Irgendwie macht es sich bemerkbar, dass wir schon 24 Stunden ununterbrochen auf den Beinen sind. Trotzdem wäre es gut, wenn wir Eddy Bescheid sagen könnten, dass er uns eher abholt.
An dieser Stelle erkennen wir die Grenzen unserer modernen Kommunikation. Wir haben von Eddy gar keine Telefonnummer. Das lief immer über Facebook. Doch unser alter Mobilvertrag hat noch weltweites Rooming zu 10 kB Blöcken zu 2,39 € oder so. Geplant war, mit Eddys Hilfe eine lokale SIM-Karte zu kaufen. Vermutlich würde der einmalige Aufruf der Facebookseite mehr kosten als der Flug. Ja, die Planung ist nicht so perfekt wie gedacht. Genauer gesagt bekommen wir gerade die Quittung für unsere europäische Arroganz, dass in Afrika ja nichts pünklich sein kann und alles länger dauert. Wir müssen noch viel lernen ...
Lernen kann man auch von seinen Kindern. Uns fällt wieder ein, dass diese schon vor 10 Jahren im Frankreich Campingurlaub dauernd unterwegs waren, um freie W-LANs aufzuspüren. Der Trick funktioniert auch hier. Und schon nach einer guten halben Stunde sind Eddy und sein Vater bei uns. Jetzt wird alles gut. Unsere Taschen und Koffer sind schnell in Daddys Van verstaut, wir ebenso. Es ist noch dunkel, als wir zum ca. 200 km entfernten Namaganda im Bezirkt Kamuli aufbrechen.
Da im weiteren Verlauf unserer Reise geplant ist, dass wir uns später einen Mietwagen nehmen und den Westen Ugandas mit den Nationalparks selber erkunden, passe ich als Beifahrer sehr genau auf, wie man in Uganda Auto fährt und womit man dabei rechnen muss. Eddy hatte uns im Vorfeld nicht gerade Mut gemacht. Er hat zwar einen Führerschein, bestand aber darauf, dass uns sein Vater fährt, weil das in Uganda zu gefährlich sei und sein Vater als professioneller Fahrer der einzige ist, dem er uns anvertrauen würde. Als wir die Randbezirke von Kampala erreichen und es heller wird, wissen wir so langsam, was Eddy meinte. Alle paar Kilometer fragt mich Eddy, ob ich wirklich in Ugada selber fahren möchte, und Raphaela bekräftigt, dass das ja nicht mein Ernst sein kann, ab und zu unterstrichen durch einen leicht panischen Aufschrei. Ich beschwichtige halbherzig und schaue gebannt zu, wie Eddys Dad riesige Schlaglöcher umfährt und das Auto zwischen unzähligen Bodaboda-Motorradtaxis buchsiert.
An Schlaf und Ruhe ist nicht zu denken, obwohl wir nun schon länger als einen Tag wach sind. 1.000 fremde Eindrücke prasseln vom Straßenrand auf uns ein. Nebenbei haben wir genauso viele Fragen an Eddy und seinen Vater. Und die beiden erklären uns über das, was wir sehen und haben selber viele Fragen zu uns und Deutschland. Die Fotos können gar nicht einfangen, was wir in der Zeit alles verarbeiten.
Nach gefühlt einem Tag erreichen wir gegen 8 Uhr morgens Kamuli, die Bezirkshauptstadt. Hier kaufen wir einen Karton Trinkwasser und besorgen uns lokale SIM-Karten für's Handy. Letzteres entwickelt sich zu einer kleinen Geburt, da die vielen Eindrücke vom Flug, vom Flughafen Istanbul und die völlig fremde Welt Uganda unser Hirn schon ordentlich weich geklopft haben und der Schlafentzug sein übriges tut. Gott sein Dank haben wir Eddy an unserer Seite, der viel Geduld für uns übrig hat.
Bis Namaganda und zur Schule sind es jetzt noch etwa 15 km, aber auf deutlich afrikanischeren Pisten. Die Fahrt dorthin verläuft ohne Zwischenfälle. Es ist bestes Sommerwetter und warm. Gegen 10:30 Uhr sehen wir ein Schild am Straßenrand: "VISIONARY LEARNING CENTRE Namaganda".